Das war eine anstrengende Fahrt für Kurt. Ja, genau, für Kurt. Während Kurt fährt, sitze ich in meinem befellten Beifahrersitz und träume.
Oder mache Fotos. Oder entscheide noch mal um, wo wir heute übernachten. Suche den Campingplatz oder Stellplatz für die Nacht aus, oder träume, z.B. von Polarlichtern. Aber dazu komme ich in einem extra Artikel.
Also Sylvester in Inari. Inari am großen Inarisee in Finnland ist der nördlichste Punkt unserer Reise und lag ursprünglich nicht auf unserer Reiseroute. Der Verzicht aufs Nordkap hat dann aber einen Abstecher dorthin möglich gemacht.
Von Sirkka mit seinem Skizirkus fuhren wir 180km über Schnee.
Das war herausfordernd. Aber Kurt ist ein sehr guter Fahrer und wir sind vorgestern sicher in Inari angekommen. Zum Abendbrot gab es Dosensuppe. Dosensuppe ist prima, weil sie des nächtens immer für ein paar mehr Grad Temperatur unter dem Deckbett sorgt.
Auf dem Campingplatz hält man es sehr entspannt. Zahlste heute nicht, zahlste morgen, oder gar nicht. Die Rezeption ist im Winter nur sporadisch besetzt, aber dafür hängt eine Infotafel an der Wand, wie man seine Standgebühren bezahlen kann, wenn man es möchte, Strom ist inclusive. Dennoch wurden wir von einer Finnin empfangen, die schon seit Jahren das Winterhalbjahr mit ihrem Mann im Wohnwagen hier verbringt und irgendwie lustig war. So fing sie von der Aurrrorrra (die Finnen rollen das Rrrrr ganz doll😊) an zu schwärmen, die sei einer der wesentlichen Gründe ihres Hierseins. Sie empfahl mir ihre AurrrorraApp „AuroraAlerts“, die sei die Beste. Die lud ich mir dann auch aufs Handy zu den anderen fünf AuroraApps.
Nun war ich wirklich gut versorgt mit AuroraApps, allein der wolkenverhangene Himmel spielte mir nicht in die Karten. Aber am Sylvestermorgen morgens zwischen 5 und 7 Uhr stand die Chancen gut. Also stellte ich meinen Wecker auf fünf, sprang aus dem Bett, alle Klamotten über den Schlafanzug und raus auf den zugefrorenen Inariesee. Hier sollte die Sicht perfekt sein.
Und so stand ich da allein, während die Welt noch schlief (außer die auf Kiribati, die machten wahrscheinlich schon Party) und guckte Löcher in die Luft. Da musste ich an den Typen mit seinem Marihuana denken. Vielleicht hilft das beim finden der Polarlichter? Ich bin zu brav dafür…Nach einer halben Stunde zockelte ich traurig und enttäuscht zurück zu GERDA und die kuschelig weiche Molle, in der Kurt mir freundlicherweise meinen Platz frei hielt.
Später am Tag erzählte ich der Finnen, deren Namen ich mir so gar nicht merken kann, was sowieso okay ist, weil sie, glaube ich, sich in Kurt verliebt hatte, – ich erzählte ihr gar nichts, weil es mir so peinlich war. Aber Kurt fragte sie, ob es denn wohl heute Abend Polarlichter gäbe? Und während wir uns mit vollem Bauch (es gab mal wieder Käsefondue, verlängert mit Racelettkäse) einen lustigen Film über einen Typen anschauten, der im Winter mit einem Merzedesallradwohnobilmonster ans Nordkap gefahren ist, klopfte Kurts neue Ische an unsere Tier: „Aurrrorrra“ hauchte sie nur, und schon stieß Kurt vor lauter Hecktik die Getränke vom Tisch. Eigentlich war ich ja diejenige, der die Polarlichter wichtig waren, aber jetzt erwachte auch in dem Mann das Interesse. Also rinn in die warmen Klamotten und rauf auf das Eis des Sees, das über einen halbe Meter dick sein soll. Man braucht also keine Sorge haben, einzubrechen.
Mit den Polarlichter suchen ist das sonn bisschen wie Pilze suchen. Du musst wissen wann sie kommen, wo Du sie am besten siehst und wie sie aussehen. Ohne die liebe Finnin hätten wir sie wohl nicht gefunden. Aber sie ist eine echte Aurrrorrrra hunterin und tatsächlich sahen wir die ersten Polarlichter unseres Lebens. Sowas macht glücklich.
Sie sagte, der Anblick der Lichter gäben ihr Kraft und ein Gefühl der Stärke. Ich fühlte eher Pudding in den Knien, weil ich die ganze Zeit noch oben guckte und dabei schon mal das Gleichgewicht zu verlieren drohte…während die beiden sich angeregt was erzählten – ich hab da schon gar nicht mehr hingehört. Sie zeigte uns Fotos von tanzenden Polarlichtern, wie man sie schon mal im Fernsehen sieht und konnte zu jedem Foto das Datum und die Uhrzeit sagen – sie kommen dann wohl doch nicht so häufig vor. Ich war glücklich mit dem, was ich sah. Sie wollte dann zu ihrem mürrischen Ehemann zurück, der für ihre Aurrrorraschwäche wohl eher kein Verständnis hat, und so umarmte sie uns ganz überraschend zum Abschied. Wir ließen ihr einige Minuten Vorsprung und machten uns dann auch auf den Weg zu GERDA.
Als wir heute Morgen zeitig vom Platz und an ihrem Wohnwagen vorbei fuhren, winkte sie mit zerzausten Haaren aus ihrem Wohnwagenfenster. Die Finnen – sie sind irgendwie total sympathisch.