…“ich glaube, Deine Autoversicherung und Strassensteuer sind abgelaufen. Ich erneuerte Dir das morgen“. Ach ja, Momodou, da hast Du wohl recht. Aber jetzt will ich darüber noch nicht nachdenken. Bin zu müde.
Hätte ich mal tun sollen! Hab ich aber nicht. Und so setz ich mich heute Vormittag ins Auto und nach einigen Kilometern fallen mir Momodous Worte wieder ein. Nun bin ich aber schon so weit gefahren – wird schon gut gehen. Ach ja, meinen Führerschein und Pass hätte ich auch ruhig einstecken sollen. Tja, zu spät. Da war sie, die Polizeikontrolle. Dem freundlichen Polizisten fällt direkt auf, dass meine Steuerplakette vom letzten Jahr ist. Deine Papiere? Ja, klar, hier ist die Versicherungspolice. Er schaut sich die an und fragt: haben wir jetzt Mai? Ich sag, ja! Ach nee, sage ich, wir haben heute schon den 1. Juni! Hmmm, meint er. Guck mal, was steht denn hier? MÄRZ!!!
Holy shit, denke ich und gestehe auch sogleich, dass ich auch meine Driving licens und meinen Pass im Haus vergessen habe. Oh, das ist zu viel, meint er. Dann musst Du jetzt mal mit nach drinnen kommen, zum Officer. Ich erkläre ihm noch, dass ich erst gestern Abend spät von Deutschland hier angekommen bin und nur eben zum Supermarkt wollte, um was zum Essen einzukaufen. Das erklärt er freundlich dem Officer und ich darf mich setzen. Hinter dem Officer baumeln Handschellen am Fenstergitter. Ich scherze, er möge diese ob meines verantwortungslosen Verhaltens doch aber wohl nicht einsetzen. Er grinst nur….und so beginnt der Officer einen kleinen Chat mit mir. Woher ich komme, wohin ich will und warum ich denn so gänzlich illegal am Straßenverkehr teilnehme. Naja, ich erkläre ihm meine Situation und entschuldige mich mehrere Male ausdrücklich, dass so ein Verhalten auch in meinem Land vollkommen inakzeptabel sei und ich auch nicht weiß, was mich da getrieben hat, außer Hunger. Hatte ja noch gar nicht gefrühstückt.
Und wie ist es so in Deutschland? Ach, sage ich, dass ist jetzt die schönste Jahreszeit, alles ist jetzt nach dem langen Winter wieder grün, alles blüht und die Luft duftet…er wolle auch mal nach Deutschland kommen. Ja, sage ich, das würde mich freuen, aber leider machen es die Deutschen und europäischen Behörden u.a. Afrikanern zu meinem größten Bedauern eine Einreise unmöglich, und ich erkläre ihm die ganzen Probleme, die Europa wegen der ganzen Flüchtlinge aus Afrika hat, das die Behörden in Europa und Deutschland ihnen Unterkunft und Sprachkurse bezahlen, ich mit einigen anderen sudanesischen Flüchtlingen dabei geholfen habe, in Deutschland Fuß zu fassen, u.s.w., u.s.w. Aber wie wird es denn jetzt hier mit mir weitergehen? Er erklärt mir drei Möglichkeiten, von denen ich allerdings nur eine wirklich verstehe, und das ist die mit dem Knast, in den man mich bringen könne, wenn ich nicht kooperiere. Nunja, sage ich, diese Möglichkeit würde ich gern ausschlagen. Und erkläre ihm, dass ich in meinem Land für mein vollkommen unentschuldbares Fehlverhalten eine Strafe zahlen müsste, dafür dann einen Beleg bekäme, und das war’s dann. Allein, dass hat ihn nicht all zu sehr interessiert, so breitbeinig wie der Bulle (im übertragenen Sinne) vor mir saß. Dann wieder schweigen. – Was machst Du denn so nach Feierabend? Frage ich, und er schaut mich erstaunt an. Oh weh, hat er da jetzt was missverstanden? Na, ich meine, hast Du Hobbies? Machst Du Sport? Und er erzählt mir, dass er Kinder im Fußball trainiert, an Laufwettbewerben teilnimmt und gelegentlich ins Fittnesscenter geht. Jau, so siehst Du mir wohl auch aus. – wieder schweigen. Tja, sage ich, ich würde gern einkaufen fahren, weil ich echt hungrig bin. Wie geht es denn jetzt weiter? Ob er mich mal in Sanyang besuchen kann, will er wissen. Große Güte, was hab ich davon denn zu halten? Und ich sag: na klar doch, sehr gerne, ich würde mich freuen! Nun sind wir zu dem Punkt gelangt, wo er meine Nummer will. Ich erkläre ihm, dass ich die noch nicht im Kopf habe. Bin ja gestern erst angereist, neue Simkarte und so. Also schicke ich ihm eine WhatsApp an seine Nummer. Jetzt hat er meine. Ich darf gehen.
Das mit dem Nummerntausch war eine gute Idee, denn es blieb nicht bei dem einen Polizeiposten. Der nächste war eine Kontrolle vom Militär, die interessieren sich eher für Waffen und Drogen und winken mich durch. Beim nächsten Polizei Checkpoint winkt die eine Polizisten das Auto vor mir aus dem Verkehr, die andere ist mit dem Gegenverkehr beschäftigt. Puh, brauch ich meinen neuen Polizeifreund Mussa doch nicht anrufen. Dann zum Supermarkt.
Auf dem Rückweg waren die beiden Polizistinnen wieder mit anderen Verkehrsteilnehmern beschäftigt, die Militärs winkten mich durch und mein neuer Freund und seine Kollegen machten wohl Mittagspause.
Zu Hause angekommen, musste ich das erstmal alles Pateh erzählen und seine erste Frage war: wieviel? Nichts! Er kam aus dem Staunen nicht mehr raus.