In Kunting

Hier ist Banna geboren und aufgewachsen. Als wir in Kunting ankommen, fahren wir an einem Gehöft vorbei. Hier bin ich geboren und meine ersten drei Jahre aufgewachsen, sagt er und fährt weiter. Der Compount gehört wohl nicht mehr der Familie.

Dann kommen wir zum nächsten Compount, dem seines Onkels.
Als Banna drei Jahre alt ist, heiratet seine Mutter einen neuen Mann. Sein Vater war wohl kein guter Typ, seine Mutter trennte sich von ihm. Er ist schon vor ein paar Jahren gestorben.
Seine Mutter gab Banna zu ihrem Bruder, seinem Onkel. Dort wuchs er dann auf. Onkel, seine Mutter und Mama (die später in Bannas Lebe noch eine Rolle spielt) sind Geschwister, same Father, same mother. Seine Mutter ist, wie hier üblich, zu ihrem neuen Mann gezogen, sehr weit weg von Kunting. Bei seinem Onkel und dessen erster und zweiter Frau wuchs Banna auf, bis die dortige Schule nichts mehr zu bieten hatte, also es gab dort nur Unterricht bis Grad sechs, da schickte ihn sein Onkel nach Janjanbureh zur Armitage School, eine Schule, an der man Abitur machen kann. Während dieser Jahre lebte Banna bei seiner Tante Mama und ihrem Mann Kassim, den ich auch vor zehn Jahren kennenlernen durfte. Er war damals bereits erblindet, hoffte aber noch auf Augen OP, besuchte verschiedene Ärzte, auch in Dakar im Sengal. Leider konnte niemand ihm helfen.
Kassim war als Tierarzt unterwegs, ohne je studiert zu haben. Aber er lernte von seinem Vorgänger mit Großvieh umzugehen und zu heilen, besuchte Workshops und bildete sich so weiter. Als er im Rentenalter war erblindete er am grauen Star. Vor zwei Jahren hatte er einen schlimmen Schlaganfall und starb vor anderthalb Jahren. Ich mochte und schätzte Kassim sehr. Aber der Schlaganfall hatte ihn zu einem absoluten Pflegefall gemacht. Mama tat ihr Bestes und litt sicherlich sehr unter seinem vollkommen veränderten Zustand. Auch Banna litt unter dem körperlichen und geistlichen Verfall seines Onkel Kassim, den er wirklich sehr mochte, und dessen Tod war denn doch eine echte Erlösung.

Das Gehöft seines Onkels in Kunting hat mich sehr beeindruckt. Es ist alles sehr sauber, aufgeräumt, organisiert. Nachdem ich das Hoftor passiere, ist links eine kleine Einzäunung von ca. 2 x 3 Meter für die Schafe und Hühner. Der Einzäung schließt sich ein kleines Lehmhäuschen an, auch etwa 3×3 Meter. Dieses Häuschen war für Banna gebaut. Wenn die männlichen Nachkommen ins Teenageralter kommen, bekommen sie Ihre eigene Unterkunft, dürfen nicht mehr im Haupthaus bei den anderen Familienmitgliedern schlafen.
An dieses Häuschen schloss sich eine größere Fläche von ca. 150 Quadratmeter an, auch ordentlich eingezäunt. Dies ist der Gemüsegarten.
Das Wohnhaus ist um die 20 Meter lang, besteht aus mehreren Zimmern mit Glasfenstern. Das soll hier extra erwähnt werden, denn Glasfenster sind teuer und man sieht sie hier auf dem Land eher selten. Über die gesamte Hausbreite zieht sich eine erhöhte Terrasse mit einer Tür zu jedem Zimmer. Angrenzend an die Terrasse gibt es eine erhöhte, überdachte Plattform aus Beton. Unterm Dach hängen mehrere Moskitonetze. Hier schläft die Familie, wenn es in der heissen Jahreszeit, also jetzt, im Haus zu heiss zum Schlafen ist.
Mitten im Hof steht ein großer, Schatten spendender Baum mit einer weiteren, allerdings hölzernen Plattform. Als wir kommen wird darauf eine Matte ausgerollt, auf der wir Platz nehmen. Im Schatten dieses Baumes ist spielt sich hauptsächlich das Leben ab. Hier wird geklönt, Essen vorbereitet; hier stehen im kühlenden Schatten zwei in feuchte Tücher eingewickelte Wasserkanister. Die feuchten Tücher halten durch die Verdunstungskälte das Wasser kühl. Auf einer Bank stehen 5 weitere Wasserkanister, allerdings leer. Es gibt im Dorf keine private Wasserversorgung, sondern das Wasser muss von zentralen Zapfstellen herbei geholt werden.
Auch im Hof steht kopfüber ein großer Holzmörser zum Reisstampfen, um den Reis von seinen Schalen zu trennen. Die Küche ist in einem Gebäude neben dem Wohnhaus untergebracht. Es gibt keine Wandschränke, oder überhaupt Schränke, nur ein paar Schüsseln, Töpfe und Kellen, alles fein sauber aufgereiht.
Leider bin ich zu zurückhaltend, was das Fotografieren von Menschen und privaten Einrichtungen betrifft. Ich stell mir immer vor, wie ich reagiere, wenn Menschen bei uns Fotos machen wollen. Einige Bereiche dürfen sie gern fotografieren, andere nicht. Grundsätzlich mag ich es nicht so gern. Ich hätte die Menschen ja fragen können, aber ich hab’s gelassen. Diese Beschreibung soll meine Erinnerung wach halten, mehr nicht.
Jedenfalls hab ich mich sehr gefreut, dort zu Gast gewesen sein zu dürfen. Es war schön bei Bannas altem Zuhause und seinem Onkel und dessen zweite Frau (die erste lebt nicht mehr). Es ging sehr fröhlich, freundlich und warmherzig zu.
Natürlich folgte dann noch ein kurzer Spaziergang zur Krankenstation und zur Schule, die jetzt ein paar mehr Alterstufen beheimatet. Bei der Krankenstation ist gerade Mutter-Kindtag und viele, sehr viele Frauen mit Babys und kleinen Kindern, teilweise auch schwanger,  waren dort. Es gibt dort nur eine ausgebildete Krankenschwester. Heute war ein Arzt aus Bassa angereist, um die Mütter und Kinder zu untersuchen.

In der Schule war gerade Mittagspause und die Kinder saßen teilweise im Schulhof und mümmelten ihr Mittagessen, andere spielten und ich musste wohl fünfzig Hände abklatschen. Die Kinder hier haben sicher nicht so häufig Kontakt zu Weißen und waren überwiegend höflich und freundlich. Das ist in Küstennähe, wo es viele Weiße gibt, ganz anders.
Es war ein sehr, sehr schöner Ausflug.

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