Pateh, Ali und Sana’a

…die drei standen dort, um mich zu verabschieden. Das war ganz ungewohnt! Meistens war ich bei meiner Abreise allein. Packte meinen Koffer, räumte das Haus auf, die Möbel von der Frühstücksecke ins Haus schleppen, die Fensterläden schließen.
Das war heute anders. Ich saß schon frisch geduscht in meinem Reisekleid unterm Mangobaum, da kam Pateh und erinnerte mich an die Mangos, die ich doch mitnehmen wollte. – Ja, aber meinst Du, die reifen noch nach? – Ja, Du musst  sie nur nicht kalt lagern. Nicht im Kühlschrank! Am besten in einer Plastiktüte und nicht kalt! Und so kletterte Pateh mit seinem Freizeitkafftan in den Mangobaum und pflückte ein paar Mangos, die ich auffing.
Pateh hatte ganz früher mal ein Auge auf mich geworfen, hatte mir kleine Geschenke gemacht. Das ist lange her und er hat längst verstanden, dass ich nicht zu haben bin. Aber dann half er mir ungefragt, die Fensterläden zu schließen. Er drückte von außen, ich verriegelte von innen. Bei einem Fenster trafen sich unsere Blicke und es war klar, er war traurig, dass ich wieder abreise.
Immer habe ich die Möbel von der Frühstücksecke allein ins Haus getragen. Meistens war niemand dort, um mich zu verabschieden. Das ist jetzt alles anders. Um die Möbel brauch ich mich nicht kümmern, die bringen Pateh und Ali nachher ins Haus.
Die beiden bringen mir auch mein Gepäck an die Straße, als Momodou mit seinem Taxi vorfährt. Auch das ist neu für mich.

Sana’a war auch gekommen. Keine Ahnung, ob er wusste, dass ich heute abreise. Aber da standen nun die drei, Pateh, Ali und Sana’a. Pateh verabschiedet sich mit einem Händedruck, mit dem er es aber nicht auf sich belassen wollte und nahm mich in den Arm. Ali, dem ich die Hand zum Abschied reichte, klärte mich auf: wenn jemanden daran gelegen ist, den anderen wieder zu sehen, reichen wir uns nicht die rechte, sondern die linke Hand. Und so verabschiedeten wir uns mit der linken Hand. Das holte Pateh dann auch noch nach. Sana’a winkte mir.

Abschied

Das Dach wurde gerade geflickt. Hoffen wir, dass es diese Regenzeit nicht mehr reinregnet.
Im Juni werde ich nicht mehr herkommen. Es ist zu heiss und deshalb zu anstrengend. Die letzten Nächte war es sehr heiss, im Haus fast 30 Grad. Da schläft man nicht mehr gut, hat um so mehr Träume.

Selten habe ich mich mehr auf zu Hause und die kühleren Temperaturen dort gefreut. Zu Hause sind die Erdbeeren reif und überhaupt ist der Sommer zu Hause schön. Wir werden im Dezember wiederkommen.
Natürlich freue ich mich darauf, wieder bei meinem Kurt zu sein. Die Alpakas wieder zu sehen, unsere Katzen.
Morgen um diese Zeit bin ich wieder daheim.

 

Djinns, Duschen, Malaria

Ich habe in diesen drei Wochen einiges dazu gelernt. Z. B. über Djinns, die nach ihrer Geburt Kindern die Seele wegnehmen und mit einer kranken austauschen. Die ebenso in den Pflanzen und Bäumen leben und sich über große Entfernungen austauschen, so, dass z.B. alle zur gleichen Zeit Blätter bekommen, wie mein kleiner Baobab in Deutschland und die großen hier in Gambia.
Ich habe gelernt, dass, wenn Du den ersten großen Regen abbekommst, sofort duschen solltest, weil Du sonst krank wirst. Erst, mit dem dritten, vierten Regen darfst Du Regen abbekommen, ohne hinterher Duschen zu müssen. Das selbe gilt für den letzten Regen. Nachdem solltest Du auch duschen, wenn Du ihn abbekommen hast. – Aber woher weiß ich, dass es der letzte Regen war? – Tja, dass ist das Problem.

Ich habe gelernt, dass nicht Mücken Malaria verbreiten, sondern all zu große Hitze. Dass das wissenschaftlich absolut unkorrekt ist – geschenkt.

Where you‘re from?

Germany. – Ah, Germany! Germany is nice. – How do you know? Have you been there? – No. – How do you know than, that Germany is nice? – I saw on TV. I wanna go Germany.
Diese immer gleiche Abfolge von Sätzen erlebe ich jeden Tag mehr als ein Mal.
Aber es wundert mich auch nicht, dass Germany das Heilige Land für so viele hier ist, in dem Honig und Milch und noch mehr Geld zu fließen scheint, z.B. Bob, ein Freund von Banna. Ist seit fünf Jahren in Italien, vielleicht auch sechs oder sieben Jahren. Er lässt sich ein riesiges Haus in Janjanbureh bauen. Das beeindruckt. Oder Modou, ein Cousin von Banna, der mit Frau und Kind in Brikama lebte und einen gut bezahlten Job im öffentlichen Dienst in Serekunda hatte. Der ist jetzt in den USA. Und in Janjanbureh hat er seiner alten Mutter Mama, der Witwe von Kassim, eine schicke, große „Hütte“ in ihren Compound gebaut. Mit Glasfenstern, neuen Möbeln. Es kann gar nicht anders sein, als das es überall, oder zumindest in Europa oder Amerika besser ist als in Gambia.
Ich habe da lange mit Jawla drüber gesprochen. Er sagt, die jungen Männer haben keine Perspektive, hier einen Job zu bekommen. Sie werden von den Eltern bedrängt, sich auf den Weg zu machen. Die Jungen sagen sich, entweder Du gewinnst, oder Du stirbst. Abenteuerlust spielt da sicherlich auch eine Rolle.
Nunja, Jawla, und was ist mit Moussa, meinem Dachdecker? Er war selbständig. Hatte mehrere Angestellte. Der über sein Handy nicht mehr zu erreichen ist, weil er auf Reisen ist. Nach Europa. Wie erklärst Dir das?

Das hätte ich mir denken können…

…das ich heute nicht die Einzige in Sanyang bin, die einen Dachdecker benötigt. Ich rufe immer wieder Moussa, den Dachdecker an, den mir Momodou im letzten November vermittelt hatte. Aber immer wieder die freundliche Stimme am Telefon: this phone is either switched off or out of area. Also rufe ich Momodou an. Kannst Du bitte mal zu Moussa the Carpenter fahren und ihn zu mir bringen? Ich kriege ihn nicht ans Telefon. Nach einer Stunde ruft Momodou zurück, Moussa is traveling. – Traveling? Wo travelt der denn gerade hin? – Europe. – Europe? – Yes, with a boat. Ach Du gute Güte! Und nu? – I will ask others. Aber die Hoffnung, noch einen Dachdecker vor meinem Abflug übermorgen zu finden, ist nicht sehr groß. Momodou will mich anrufen, wenn er jemanden gefunden hat, der das,Dach repariert. Inshala.

Ich wollte es ja so haben

Geschickt habe ich die Möbel um die Schwachstellen im Dach platziert. Da, wo vorher das Bett stand, hab ich jetzt die Sitzecke positioniert und das Bett auf die Seite, wo vorher die Sitzecke war.

Ja, das war, wie Pateh gerade sagte, ein heftiger Regen. Dabei finge die Regenzeit doch erst an? Meint er. Und schon so ein Regen! Wie soll das dann erst werden, wenn die Regenzeit erstmal richtig loslegt? Fragt er.
Es ging heute morgen gegen sechs los. Das Gewittergrollen kam langsam aber beständig näher. Ich wickelte mir ein Tuch um und holte vorsichtshalber schnell meine Badesachen von der Wäscheleine und die Sitzkissen rein, legte mich wieder ins Bett und lauschte dem näher kommenden Gewitter. Ob es heute regnen würde?
Das beständige Grollen kam immer näher und wurde immer lauter. Nicht wie das meistens bei uns so ist: es blitzt, es knallt, dann Ruhe. Bis zum nächsten Blitz, erneutem Donner. Nein, hier ist das wie ein Dauerdonner. Eigentlich muss es ja auch Blitze geben, habe aber keinen wahrgenommen. Und dann knallen ein paar harte Tropfen aufs Blechdach. Und es werden mehr und mehr große, harte Tropfen und mit dem lärmenden Donnergrollen war es in der Hütte ein ohrenbetäubender, beängstigender Lärm.

Da fiel mir der Gaskocher, Kochtopf und Frenchpress ein, die noch draußen waren. Also schnell frische Sachen angezogen und raus in den Regen. Bin ja nicht aus Zucker. Und was da mit dem ganzen Regen vom Dach runtergespült wurde, war auch kein Zucker. Das war Staub. Staub und Dreck von acht Monaten Trockenzeit. Tja, das hatte die Wasserbauingenieurin nicht einkalkuliert. Und schwups, war nicht nur die frische, saubere Wäsche versaut, auch dem Wesen in der frischen Wäsche liefen Ströme von Schlammwasser über Haupt und Haut. Was ne Sauerei! Alles wieder ausgezogen, und erstmal unter die Dusche.
Dann habe ich durch alle Fenster von drinnen nach draußen geschaut und gestaunt, was da an Regen runter kam. Alle Blätter der Büsche am Haus waren schon sauber gespült. Überall standen große Pfützen.
Und auch im Haus fing es an ein paar, fürs Bett strategisch ungünstigen Stellen an zu regnen. Also das Bett erstmal zur Seite gerückt, damit die Matratze nicht weiter nass werden kann. „Jetzt weißt Du, dass das Bett dort nicht bleiben kann.“
Mit meiner Taschenlampe beginne ich, Fußboden und Dach nach weiteren Regenschlupflöchern abzusuchen. Es sind fünf Stellen und zwei kleinere. Da, wo das Bett steht, sind die zwei schlimmsten Stellen. Es könnte das eindringende Wasser ja knapp am Bett vorbei Tropfen. Tut es aber nicht. Es tropft knapp aufs Bett. Da kann ich das Bett drehen und wenden wie ich will. Scheisse.
Es regnet immer noch, aber nicht mehr ganz so heftig. Das irre laute, Angst einflößende Donnergrollen, der unbeschreibliche Lärm des Regens auf dem Blechdach und das eindringende Wasser durch die Lecks im Dach, dass alles hat mir einiges abverlangt. Ich bin irgendwie fix und fertig. Ich brauch jetzt einen Kaffee. Ich muss erstmal zur Ruhe kommen. Ich muss nachdenken.

Nachgedacht, Plan gemacht. Im Bereich der Sitzecke ist alles trocken geblieben. Dort muss also das Bett hin. Und da, wo das Bett war, kommt die Sitzecke so hin, das die Möbel beim reinregnen nicht nass werden.
Irgendwann haben wir das Haus eingeräumt, festgelegt, wo Schlafbereich, Sitzecke und Gästebett stehen sollen. Da hatten wir noch keinen Strom im Haus, nur einen Kühlschrank, der über eine Kabeltrommel den Strom direkt von der Solaranlage bekam. Als Kurt mit Markus Unterstützung Stromkabel zum Haus verlegte, war es an mir festzulegen, wo welche Lampe und in welcher Höhe angebracht werden sollte. Überm Couchtisch natürlich etwas niedriger, überm Bett so hoch, dass sie noch überm Moskitonetz hängt. Naja, das passt jetzt natürlich nicht mehr. Aber es soll ja auch nur vorübergehend so sein.

Jetzt warte ich darauf, dass der Dachdecker endlich ans Telefon geht. Es ist noch Wellblech im Store. Damit könnte er jetzt wunderbar die Löcher im Dach schließen. Aber er nimmt nicht ab. Ich warte weiter.

Jetzt, nach dem Regen, werden es immer mehr. Tausende von, ich nehme an, fliegenden Ameisen, flirren durch die Luft. Das ging schon los, als der Regen noch gar nicht richtig aufgehört hatte. Und jetzt sind sie überall. Zur Freude der ganzen Vögel, die ihr Glück kaum fassen können.

 

 

Es regnet!

Und schon ist es wieder vorbei. Oder doch nicht?

Gestern und heute war es wirklich heiß. Blitzblauer Himmel. „Whats your Name?“ werde ich immer wieder gefragt. Heute gab ich auf diese Frage wieder meine gut-Wetter-Antwort: I forgot. – You forgot your Name? – Yes I forgot! It‘s too hot! My brain is boiling ! You unterstand? – Meistens versteht man es, weil es in Germany ja nicht so heiss wird, wie hier. Dann bin ich fein raus, aus der Nummer.
Aber jetzt sind Wolken aufgezogen und es regnet ein wenig. Dafür kein Lüftchen mehr.
Wie immer, wenn ich abends in meiner Hütte sitze, beschlagen mir die Brillengläser. Es ist so heiss. Unser wunderbarer Ventilator muss leider aus bleiben. Die Solaranlage schafft nicht mal mehr genug Strom, um den Kühlschrank am Laufen zu halten. Darin wird es dann so warm, so das sogar die dicken Eiswürfel im Gefrierfach auftauen (der Regen hört gerade wieder auf, aber ein frisches Lüftchen zieht gelegentlich durch die Fenster). Brille absetzen, Gesicht trocken wischen.

Da klopfen zwei Herzen in meiner Brust. Das eine wünscht sich möglichst viel Sonne, damit der Kühlschrank läuft. Den habe ich jetzt gezielt leer gegessen. Nur noch Flaschen mit alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken befinden sich darin, eine Dose Thunfisch, ein Snicker und ein Raider. Es kann also nicht mehr viel kaputt gehen. Die letzten Eier habe ich heute Morgen vorausschauend gekocht, und die halten sich so ja ein Weilchen.
Das andere Herz erhofft sich Abkühlung durch den Regen. Aber dann ist es bewölkt, und die Solaranlage produziert noch weniger Strom…
Jetzt ist es dunkel. Das geht ja schnell hier. Um halb acht geht jetzt die Sonne unter, um acht ist es zappenduster. Da kann ich jetzt auch nicht mehr sehen, ob mehr Regenwolken im Anmarsch sind. Hin und wieder geht ein Lüftlein durch die Fenster.

Kein Strom, kein Internet, keine Sonne, kein Auto….

Der heutige Morgen hat mich aber ganz schön gefordert. Während um 5 Uhr der Muezzin noch betete, piepte der Alarmton von der PV Anlage. Batterie leer. Pateh schien fest zu schlafen. Also ging ich rüber, stellte den Inverter ab und wieder ins Bett. Aber mit Schlaf war jetzt nicht mehr viel.
Der Strom der einen Solaranlage gerät nicht in die Batterien. Da bin ich mir sicher. Möglicherweise ist irgendwo eine Verbindung lose. Bei Licht würde ich mal die Kabel draußen unter die Lupe nehmen. Nur eine Solaranlage bei den momentanen Wetterbedingungen, bzw. bedecktem Himmel, das reicht nicht.
Als ich dann aufstehe, alles aus und nahezu leer. Die Handys, iPad, Huawei (mobiler Browser für Internet Verbindung), Kühlschrank. Alles aus und leer. Mit meinem Notakku lade ich Handy und Huawei etwas auf, aber das Handy findet Huawei nicht. iPad und Afrikahandy finden auch keinen Huawei. Was ist das für ein Scheiss?! Kein Strom, kein Internet, kein Auto und bedeckter Himmel! Ich will nach Hause!
Jetzt ruf ich mal Momodou an, ob er einen Elektriker bringen kann. Zwanzig Minuten später ist er mit einem Elektriker hier. Wie ich später von Pateh erfahre, ist der Bursche derjenige in Sanyang, der die PV Anlagen installiert. Er ist der Einzige. Er kennt sich aus.
Der Typ öffnet sein Köfferchen mit allerlei Werzeug drin, und misst erstmal. Das halte ich für einen guten Anfang. Und dann stellt er fest, Ass kein Strom in die Batterie gelangt! Und, dass das eine Kabel, das von außen kommt und in den Charging Controller an der Wand geht, dass das locker ist und etwas herausgerutscht. Meine tagelange Vermutung bestätigte sich also. Cool. Er schraubt das fest und einen Augenblick später kann ich beobachten, wie geladen wird. Gott sei Dank!
Alles wird aufgeladen. Der Kühlschrank kühlt wieder. Allerdings glaube ich, nein, ich bin mir eigentlich sicher, dass der Kühlschrank einen Schlag weg hat und auf Dauerbetrieb läuft. Das zieht natürlich unnötig viel Strom. Aber daran kann ich jetzt auch nichts ändern.
Beim Frühstück denke ich über Huawei nach. Es ist doch merkwürdig, dass alle drei Geräte ihn nicht finden. Also als erstes einen reboot bei den Mobilgeräten machen. Hat nichts gebracht. Ist Bluetooth eingeschaltet? Alle drei Geräte positiv. Tja, dann kann es doch nur daran liegen, dass beim Huawei Bluetooth aus ist. Also Huawei noch mal ganz genau angeschaut, noch mal aus, dann wieder angeschaltet und einen bösen Blick aufgelegt und siehe da? Huawei blinkt und rattert und zack, macht er wieder Internet. Und zack, haben sich die drei Mobiltelefone mit ihm verbunden.
So. Jetzt gehts mir besser. Wär doch gelacht, wenn ich mich von sonn par kleinen Pannen am frühen Morgen den Tag verderben liesse?

Michael Mittermeier, Comedian

Michael Mittermeier hat den Ausdruck „Arschlochkinder“ kreiert. Und schon höre ich das aufstöhnen des geneigten Lesers: wie kann man? Kinder- die können doch nicht – doch! Und jetzt melde ich mich zu Wort. Sie können! Und wie die können. Die Kinder, die Arschlochkinder, die Mittermeier meint, und die ich meine.
Aber fangen wir mit den lieben, den echt süßen, höflichen, netten, freundlichen, lustigen Kindern an. Die rufen, wenn sie hier am Grundstück vorbei laufen und mich sehen so etwas wie: you are beautiful! Dann ruf ich zurück: you too! Oder die Mädchen, die kürzlich, als ich vom Strand kam, aus ihrem Gartenacker kamen, und Tomaten, Zwiebeln und Mangos geerntet hatten und mir zwei Mongos schenkten. Sie sprachen noch nicht mal englisch. Oder die süße Kleine, die mir der eine Sohn vom hiesigen Obi in den Arm drückte, damit er meine Sachen aus den Regalen holen konnte, die ich brauchte. Die Kleine, Adama, fand meine Ohrringe ganz besonders toll. Und so gibt es ganz viele Kinder, die einfach furchtbar niedlich sind.
Und dann gibt es die anderen, die jeden Tag, wenn sie aus ihrer Coranschule und hier am Tor vorbei kommen, so lange gegen das Tor bollern, bis ich aufstehe. Dann rennen sie weg. Aber auch erst dann. Sie bollern so lange, und vor allem immer heftiger, durchaus auch mit Steinen in der Hand gegen das Tor, bis ich zum Tor gehe. Bei uns nennt man das Klingeljagdt. Haben wir als Kinder an Geburtstagen gemacht. Ein- zwei Mal klingeln und ab dafür. Aber diese A-Kinder können mich durch einen Schlitz im Hoftor beobachten, und bollern so lange und richtig heftig gegen das Tor, und hören nicht eher damit auf, bis ich Richtung Tor gehe. Dann geben sie Fersengeld, diese kleinen Feiglinge. Oder diese kleinen Blagen, die in Trauben hinter mir herlaufen und ohne Unterlass Tubab, Tubab (Ausdruck für Weiße) rufen, oder Minti, Minti! Das bedeutet, sie wollen einen Minzbonbon. Keine Ahnung, wer ihnen das beigebracht hat. Diese Sorte Kinder ist extrem unangenehm und nervig und vollkommen respektlos, wobei die Mintikinder noch die Lieberen sind.
Und dann gibt es noch die kleinen Pupser, die brav an ihrem Platz sitzen und winken und hoffen, dass der/die/das Tubab zurück winkt. Die sind auch süß.

Familienmitglied

Als ich heute Abend vom Strand komme und zu Fuß von der Garage (Bushaltestelle und Taxistopp) zum Haus gehe, sitzt wie immer Lamin auf den Treppenstufen vor seinem kleinen Shop. Kurz bevor ich ihn erreiche, begegnet mir ein älterer Herr und grüßt mich auf Französisch und lächelt mich an, ganz besonders, als ich ihn ebenfalls in französisch zurück grüsse.
Und dann: hallo Lamin, wie gehts? – gut, und Dir? – Auch gut. Ich habe heute mein Auto verkauft. Deshalb laufe ich. – Das ist großartig. Seit ich Dich sehe freue ich mich. Du machst es wie die Afrikaner und gehst zu Fuß! Das ist toll, das gefällt den Leuten hier. Du hast Zeit, die Menschen zu grüßen, und nicht einfach nur im Auto an ihnen vorbeizufahren. Klar, Du hast ein Haus hier, bist oft hier und ja schon so etwas wie eine von uns? Aber jetzt, wenn Du hier zu Fuß gehst, bist Du eine aus unserer afrikanischen Familie. Gold bless you. – Oh, Danke. Freut mich. Hab einen schönen Abend! – Ja, Du auch!
Tja, Mensch ———was soll ich sagen? Ist doch was.

Die Wolken am Südhimmel haben sich aufgelöst. Diese Nacht wird es keinen Regen geben.