Das Auto ist weg

…und 80.000 Dalasi habe ich auf den Tresen der Bank gelegt. Das Zählen dauerte 20 Minuten.

Mustafa the plumber hat das Auto gekauft. Schon seit zwei Jahren kaut er mir die Ohren ab, will, dass ich ihm das Auto verkaufe. Letzten November haben Kurt und ich dann entschieden, das Auto zu verkaufen, nicht zuletzt, weil ich insbesondere in den ersten zwei Wochen, die ich hier noch ohne Kurt war, so furchtbar viele, durchaus ernsthafte Probleme mit ihm hatte. Nicht nur, dass auf wundersame Weise die Batterie sich aus dem Staub gemacht hatte, es war außerdem die Bremsleitung gerissen, was wirklich nicht komisch war, und dann war vorne links an der Radaufhängung etwas gebrochen und musste geschweißt werden. Es war also die Stunde des Mustafa gekommen. Wir setzten den Preis fest, fixed Price, no bargening, setzten einen Kaufvertrag auf, am 15. Juni 2023 kannst Du das Auto bezahlen und mitnehmen. Seid dem schickte mir Mustafa in unregelmäßigen Abständen vollkommen inhaltsleere Sprachnachrichten per WhatsApp. Er wollte in Erinnerung bleiben. „How is the weather? Here ist is hot“. Heute hat er es nun abgeholt. Ich habe bis zum letzten Dalasi, den ich gezählt habe (auch sicherlich 20 Minuten lang) nicht geglaubt, dass er das Geld vollzählig dabei hat. Hatte er aber.
Und wenn wir in Deutschland ein Auto verkaufen, putzen und wienern wir es, damit es einen tollen Eindruck macht. Das konnte ich mir wohl gerade noch verkneifen. Zumal das Auto wohl merkte, was ihm bevor steht, und überhaupt nicht gemuckt hat. Ich stellte ihm also die dreckige Karre auf den Hof, zeigte ihm, wo Schlauch und Wasserhahn sind, gab ihm Eimer und Omo und dann machte er sich daran, aus der Dreckskarre ein Schmuckstück zu machen. Was ich ihm übel nehme: er hat das Wackellama und das Wackelalpaka vom Amaturenbrett gebrochen, und in vielen kleinen Teilen achtlos auf den Boden geworfen. Diese beiden kleinen treuen Wackelraxker hatten uns einst von Arpke, ganz durch die Sahara bis nach Sanyang begleitet. Und nun lagen sie da, achtlos in den Dreck geworfen. Das hatten sie nicht verdient!

Deja vu

Es ist wie ein deja vu. Wie vor über 30 Jahren, als ich im Norden Togos meine erste afrikanische Regenzeit erlebte. Wir, das sind mein damaliger Ehemann Andrew und ich, lebten im hohen Norden Togos, in Dapaong, von den Einheimischen auch Dapango genannt. Am Ende der Trockenzeit erreichten die Temperaturen tagsüber 45 Grad Celsius, nachts kühlte es kaum unter 30 Grad ab. Ich nahm mir dann eine Matratze aus dem Gästezimmer und legte sie unter den Deckenventilator im Wohnzimmer, weil es zu zweit in einem Bett nicht auszuhalten war. Eines späten Abends begann ein gewaltiges Gewitter, Blitz und Donner dröhnten uns um die Ohren, ein beängstigender Sturm fegte über uns hinweg. Der Regen, der von Süden her kam, war buchstäblich zu riechen. Jetzt musste es endlich regnen! Wir standen aus den Betten wieder auf, stellten unsere Terrassenstühle in den Garten und warteten auf den Regen. Man roch ihn, man spürte ihn im Geiste und erwartete die so sehr ersehnte Abkühlung. – Kein einziger Tropfen erreichte diese Nacht Dapango. Es wurde einfach nur noch heißer. Als es dann ein zwei Tage später endlich regnete, gab es aber noch längst keine Abkühlung. Dafür stieg die Luftfeuchtigkeit ins Unerträgliche, die Regentropfen verdunsteten, bevor sie den Boden erreichten. Aber dann, nachdem der Regen eingesetzt hatte, kühlte es sich derart ab, dass wir, obwohl immer noch über 20 Grad am Abend, wir Entwicklungshelfer mit Schal und Jacke in der Freiluftkneipe saßen und dem Barkeeper erklärten, wie Grog geht. Und bekamen das wärmende Getränk auch prompt.

Hier ist es gerade ähnlich. Seit Tagen ist es bewölkt, reißt dann aber ab Mittag wieder auf. Vormittags steht die Luft. Eigentlich ist es gar nicht so heiss, aber die stehende Luft und die hohe Luftfeuchtigkeit treiben mir den Schweiss derartig ins Gesicht, dass mein Verbrauch an Tempos zum trocken wischen deutlich gestiegen ist.
Alle sind ganz aufgeregt wegen der anstehende Regenzeit. Hier in Gambia kommt der Regen aus Richtung Osten, Südosten. In Basse, tief im Inneren Gambias, in Patehs Heimat, hat es gestern so heftig geregnet, dass bereits die ersten Lehmhütten zusammen gebrochen sind. Wenn der Regen zu heftig ist, weichen die Lehmhütten unten auf und dann war’s das.
Heute Nachmittag war dann aus Richtung Süden Donnergrollen zu hören. Aber wie es scheint, zieht das Wetter an uns vorbei.
Gestern Abend konnte ich nicht einschlafen. Es war einfach zu heiss, 29 Grad im Haus. Wegen der nicht so hohen Stromproduktion beim bedeckten Himmel halte ichbmich mit dem Stromverbrauch zurück und schalte den Ventilator abends nicht ein, sondern öle vor mich hin, geh dann vorm Schlafen noch mal kurz unter die Dusche. Gestern Abend lag ich schon im Bett, aber es war so heiss, dass ich dann noch mal kurz unter die Dusche und dann nass vorm Ventilator bin. Ein alter Trick. Danach hat’s dann auch mit dem Schlafen funktioniert.

Von Saana, Baobas und Dschins

Saana kenne ich schon ziemlich lange. Eigentlich, seit dem ich angefangen habe, unser Haus zu renovieren. Wie alt er ist weiß ich nicht. Aber er ist körperlich behindert und auch geistig. Er hat gewaltige O-Beine und deshalb einen ganz komischen Gang, ein verkrümmtes Handgelenk, die wenigen Zähne in seinem Mund stehen schief, sind aber strahlend weiß. Er scheint mich sehr zu mögen. Wenn ich ihm begegne, meist mit dem Auto irgendwo im Dorf, brüllt er über die ganze Straße ein lautes, aber herzliches „Hello“, so dass sich alle nach ihm und mir umsehen. Wenn er mich mal wieder gesehen hat, erzählt er den Leuten „Andrea ist da!“ Manchmal drückt er sich in Sichtweite herum und beobachtet mich, wenn ich draußen im Garten bin.
So auch vor einigen Tagen. Ich sah ihn, dann beobachtete ich Pateh und Ali, die gerade auch draußen waren, wie sie Sanaa beobachteten. Weil ich zu Saana sehr unterschiedliche Einschätzungen gehört hatte, stellte ich mich erstmal dumm und fragte ich die beiden, was mit dem, also Saana los sei. Da versuchten sie mir das irgendwie zu erklären: Nunja, der ist anders, als andere. – okay, ich kenne Saana ein bisschen. Aber warum beobachtet ihr ihn. – Na, weil er da schon eine ganze Weile steht. – Ja und? – Pateh: der ist anders. Der ist als ganz normales Kind geboren, aber gleich nach der Geburt kam ein Dschin und hat ihn ausgetauscht gegen dieses andere Wesen. Er ist okay. Aber anders. Er tut nichts.
Der Dschin also. Na gut. Kann ja mal passieren.

Heute traf ich Jawla am Strand. Ich kam von einem langen Strandspaziergang zurück und er fing mich an der Rezeption ab. Und er verwickelte mich in ein Gespräch. Es war heute bewölkt, bestes Wetter für einen Strandspaziergang. Ja, meint Jawla, es wird jetzt wohl bald der Regen beginnen. Und dann erklärte er mir, das man das an ein paar bestimmten Bäumen erkennen könne. Das hätte er schon von seinem Vater und seinem Großvater gelernt. Wenn die Früchte vom Metrobaum sich braun färben, dauert es noch zwei, drei Wochen, dann beginnt es zu regnen. Die Früchte wären jetzt braun. Auch beim Baobab wär das so. Der wirft irgendwann die Blätter ab, um Energie zu sparen. Aber dann kommen neue Blätter. Und wenn die eine Größe erreicht hätten, das sich Tauben hinter ihnen verstecken können, dann wär es soweit und der Regen würde ziemlich bald kommen. Da kam mir mein kleiner Baobab in Erinnerung, der bei mir in Arpke im Wohnzimmer steht. Der hat nämlich genau zu einer komischen Zeit, nämlich schon im April um meinen Geburtstag herum, die ersten neue Blätter bekommen. Und nach meiner Ankunft hier habe ich beobachtet, das die Baobabs hier auch gerade neues Laub bekommen. Und ich erzählte Jawla von meinem kleinen Baobab, und das ich mich wunderte, das er gerade Blätter bekommen hätte, obwohl bei uns die Bäume erst im Mai so richtig loslegen. Und das das irgendwie tief in den Bäumen verankert zu sein scheint. Jawlas Antwort darauf war ernüchternd einfach. Das liegt an den Dschins. Die leben in den Bäumen und sagen ihnen, wann’s los geht. – Alter! Ich habe nicht nur einen Baobab, sondern auch gleich noch einen Dschin in der Wohnung!

Was ein Dschin ist? Am besten den Baobab fragen?

Suleiman

…das ist mein Nachbar zur Rechten.


Suleiman ist schon seit Tagen schwer am Arbeiten. Bevor die Regenzeit einsetzt, muss der Acker hergerichtet werden. Heute harkt er alles Laub zusammen und wird es heute Abend abflammen. Das wird ne schöne Räucherei geben…

Gerade hatte ich eine nette, kleine Unterhaltung mit ihm. Seine Mutter hat in unseren ersten ein, zwei Jahren hier das Feld bestellt, aber nun ist sie zu alt. Danach passierte nicht viel, aber Suleimans Frau will jetzt hier Gemüse anbauen, und deshalb räumt er jetzt auf, will die Umzäunung ausbessern. Er spricht ganz passabel Englisch. Deshalb wundere ich mich, als er mich eben fragt, ob in Deutschland auch die Sonne scheint. Ich war mir nicht sicher und fragte noch drei Mal nach. Aber das war seine Frage: scheint in Deutschland auch die Sonne? Gibt es dort auch Mangos, Ölpalmen und Bananen? Nein? Dann gibt es keine Gärten bei Euch? Doch Suleimann, wir ernten…und dann zählte ich ihm das Gemüse und Obst auf, dass es hier auch gibt, was er also kennt. Das beruhigte ihn dann. Und ich erzählte ihm, das wir Mangos und Bananen, Orangen und Zitronen bei uns im Supermarkt kaufen können. Das fand er dann ganz gut. Lustige Begegnung….

Zurück nach Sanyang

Donnerstag Morgen um sechs, mit Ende des Gebetes in der Mosche stand ich auf. Banna wollte mich kurz vor sieben abholen, damit ich den Super Express Bus nach Brikama kriege, der irgendwann zwischen sieben und halb acht hier in Janjanbureh Halt macht. Und tatsächlich saß ich um viertel nach sieben im klimatisierten Bus mit nur vier Sitzen in einer Reihe. Sofort ging es wieder weiter und tatsächlich war der Bus um viertel nach elf in Brikama und noch mal eine Dreiviertel Stunde später saß ich in meinem Garten. Geht doch!

In Kunting

Hier ist Banna geboren und aufgewachsen. Als wir in Kunting ankommen, fahren wir an einem Gehöft vorbei. Hier bin ich geboren und meine ersten drei Jahre aufgewachsen, sagt er und fährt weiter. Der Compount gehört wohl nicht mehr der Familie.

Dann kommen wir zum nächsten Compount, dem seines Onkels.
Als Banna drei Jahre alt ist, heiratet seine Mutter einen neuen Mann. Sein Vater war wohl kein guter Typ, seine Mutter trennte sich von ihm. Er ist schon vor ein paar Jahren gestorben.
Seine Mutter gab Banna zu ihrem Bruder, seinem Onkel. Dort wuchs er dann auf. Onkel, seine Mutter und Mama (die später in Bannas Lebe noch eine Rolle spielt) sind Geschwister, same Father, same mother. Seine Mutter ist, wie hier üblich, zu ihrem neuen Mann gezogen, sehr weit weg von Kunting. Bei seinem Onkel und dessen erster und zweiter Frau wuchs Banna auf, bis die dortige Schule nichts mehr zu bieten hatte, also es gab dort nur Unterricht bis Grad sechs, da schickte ihn sein Onkel nach Janjanbureh zur Armitage School, eine Schule, an der man Abitur machen kann. Während dieser Jahre lebte Banna bei seiner Tante Mama und ihrem Mann Kassim, den ich auch vor zehn Jahren kennenlernen durfte. Er war damals bereits erblindet, hoffte aber noch auf Augen OP, besuchte verschiedene Ärzte, auch in Dakar im Sengal. Leider konnte niemand ihm helfen.
Kassim war als Tierarzt unterwegs, ohne je studiert zu haben. Aber er lernte von seinem Vorgänger mit Großvieh umzugehen und zu heilen, besuchte Workshops und bildete sich so weiter. Als er im Rentenalter war erblindete er am grauen Star. Vor zwei Jahren hatte er einen schlimmen Schlaganfall und starb vor anderthalb Jahren. Ich mochte und schätzte Kassim sehr. Aber der Schlaganfall hatte ihn zu einem absoluten Pflegefall gemacht. Mama tat ihr Bestes und litt sicherlich sehr unter seinem vollkommen veränderten Zustand. Auch Banna litt unter dem körperlichen und geistlichen Verfall seines Onkel Kassim, den er wirklich sehr mochte, und dessen Tod war denn doch eine echte Erlösung.

Das Gehöft seines Onkels in Kunting hat mich sehr beeindruckt. Es ist alles sehr sauber, aufgeräumt, organisiert. Nachdem ich das Hoftor passiere, ist links eine kleine Einzäunung von ca. 2 x 3 Meter für die Schafe und Hühner. Der Einzäung schließt sich ein kleines Lehmhäuschen an, auch etwa 3×3 Meter. Dieses Häuschen war für Banna gebaut. Wenn die männlichen Nachkommen ins Teenageralter kommen, bekommen sie Ihre eigene Unterkunft, dürfen nicht mehr im Haupthaus bei den anderen Familienmitgliedern schlafen.
An dieses Häuschen schloss sich eine größere Fläche von ca. 150 Quadratmeter an, auch ordentlich eingezäunt. Dies ist der Gemüsegarten.
Das Wohnhaus ist um die 20 Meter lang, besteht aus mehreren Zimmern mit Glasfenstern. Das soll hier extra erwähnt werden, denn Glasfenster sind teuer und man sieht sie hier auf dem Land eher selten. Über die gesamte Hausbreite zieht sich eine erhöhte Terrasse mit einer Tür zu jedem Zimmer. Angrenzend an die Terrasse gibt es eine erhöhte, überdachte Plattform aus Beton. Unterm Dach hängen mehrere Moskitonetze. Hier schläft die Familie, wenn es in der heissen Jahreszeit, also jetzt, im Haus zu heiss zum Schlafen ist.
Mitten im Hof steht ein großer, Schatten spendender Baum mit einer weiteren, allerdings hölzernen Plattform. Als wir kommen wird darauf eine Matte ausgerollt, auf der wir Platz nehmen. Im Schatten dieses Baumes ist spielt sich hauptsächlich das Leben ab. Hier wird geklönt, Essen vorbereitet; hier stehen im kühlenden Schatten zwei in feuchte Tücher eingewickelte Wasserkanister. Die feuchten Tücher halten durch die Verdunstungskälte das Wasser kühl. Auf einer Bank stehen 5 weitere Wasserkanister, allerdings leer. Es gibt im Dorf keine private Wasserversorgung, sondern das Wasser muss von zentralen Zapfstellen herbei geholt werden.
Auch im Hof steht kopfüber ein großer Holzmörser zum Reisstampfen, um den Reis von seinen Schalen zu trennen. Die Küche ist in einem Gebäude neben dem Wohnhaus untergebracht. Es gibt keine Wandschränke, oder überhaupt Schränke, nur ein paar Schüsseln, Töpfe und Kellen, alles fein sauber aufgereiht.
Leider bin ich zu zurückhaltend, was das Fotografieren von Menschen und privaten Einrichtungen betrifft. Ich stell mir immer vor, wie ich reagiere, wenn Menschen bei uns Fotos machen wollen. Einige Bereiche dürfen sie gern fotografieren, andere nicht. Grundsätzlich mag ich es nicht so gern. Ich hätte die Menschen ja fragen können, aber ich hab’s gelassen. Diese Beschreibung soll meine Erinnerung wach halten, mehr nicht.
Jedenfalls hab ich mich sehr gefreut, dort zu Gast gewesen sein zu dürfen. Es war schön bei Bannas altem Zuhause und seinem Onkel und dessen zweite Frau (die erste lebt nicht mehr). Es ging sehr fröhlich, freundlich und warmherzig zu.
Natürlich folgte dann noch ein kurzer Spaziergang zur Krankenstation und zur Schule, die jetzt ein paar mehr Alterstufen beheimatet. Bei der Krankenstation ist gerade Mutter-Kindtag und viele, sehr viele Frauen mit Babys und kleinen Kindern, teilweise auch schwanger,  waren dort. Es gibt dort nur eine ausgebildete Krankenschwester. Heute war ein Arzt aus Bassa angereist, um die Mütter und Kinder zu untersuchen.

In der Schule war gerade Mittagspause und die Kinder saßen teilweise im Schulhof und mümmelten ihr Mittagessen, andere spielten und ich musste wohl fünfzig Hände abklatschen. Die Kinder hier haben sicher nicht so häufig Kontakt zu Weißen und waren überwiegend höflich und freundlich. Das ist in Küstennähe, wo es viele Weiße gibt, ganz anders.
Es war ein sehr, sehr schöner Ausflug.

Nach Kunting

Den nächsten Morgen um acht wollte Banna mich zum Frühstück abholen. Um sieben klopfte er bereits an der Tür. Auch egal. Mit Schlaf war eh nicht mehr zu rechnen.
Banna ist in Kunting, einem Dorf im Busch, geboren und aufgewachsen. Er erzählt oft davon, dass er seinen Onkel dort besucht, und ich wollte diesen Ort so gerne Mal kennenlernen. Jetzt war es soweit. Banna hatte für diesen Tag einen Besuch in seiner Heimat geplant.

Als ich Banna bei meinem ersten Besuch Gambias vor 10 Jahren kennenlernte, war er ein junger und jugendlicher Typ. Vater von zwei reizenden Töchtern. Im Laufe der Jahre und mit wachsendem Alter hat er sich mehr und mehr ehrenamtlich engagiert, hatte zeitweise eine eigene Fußballmannschaft in Janjanbureh, jedenfalls sorgte er für Sponsoren und war selber einer. Bei den letzte Kommunalwahlen engagierte er sich in der örtlichen Politik, ist ein cleverer Geschäftsmann mit eigener Lodge und nun fuhren wir in seinem eigenen Auto, einem Golf, nach Kunting, ca. 20 km entfernt. Seit Neustem gibt es eine Teerstrasse bis fast in den Ort, was einen Besuch dort erheblich einfacher macht.

Angekommen in Janjanbureh

Bannas Lodge ist eine Baustelle. Die beiden noch funktionierenden Zimmer wollte er mir nicht zumuten, weil ich bei der Affenhitze dort ein Zimmer mit ac, also aircondition bräuchte. Deshalb hatte er mir ein Zimmer in dieser öffentlichen Unterkunft reserviert. Die ist zwar sehr günstig, aber furchtbar und dort wollte ich wohnen. Also nahm ich ein Zimmer in einer hübschen, kleinen Lodge mit ac. Banna brachte mich dorthin und ich brauchte erstmal eine Pause.
Ach ja, sagte Banna, es sei zwar vollkommen ungewöhnlich, aber es hätte heute schon den ganzen Tag kein Wasser gegeben. Das war für mich jetzt doch ein kleines Problem, denn nach der langen Fahrt im übervollen Bus und auf diesen original in Plastikfolie gehüllten Sitzen war ich ordentlich verschwitzt und eine amtliche Dusche hätte jetzt echt gut getan.
Und während wir da so auf der Terrasse vor meinem Zimmer saßen und plauderten, balancierte auf der gegenüber liegende Grundstücksmauer eine riesig große Ratte mit einem sensationell langen Schwanz. Uiii, sagte ich, das ist aber eine ganz schön große Ratte da oben. Und Banna so: Yes, it‘s big. Sie war etwas vier Mal so groß wie die Ratten, die man sonst so sieht und ich hoffte noch, es sei vielleicht ein Aguti, die man zumindest in Togo auch gern mal auf den Grill wirft. Aber nein, es war eine einfache Ratte. Bald darauf wackelte es heftig im sehr dichten und sehr hohen Bambusgestrüpp hinter der Mauer. Ein Affe versuchte, sich dort hindurch zu zwängen, was ihm auch gelang. Zum Glück wollte er aber nicht zu uns, sondern ein Grundstück weiter.

Wie immer, wenn ich in Janjanbureh bin, folgte dann erstmal ein sehr langer Spaziergang durchs Dorf und Umgebung, um mich über die neuesten Entwicklung in Kenntnis zu setzen. Irgendwann bat ich Banna, einfach nur meine hübsche kleine Terrasse anzusteuern, nicht ohne auf dem Weg dorthin noch ein paar Dosen Bier zu organisieren. Ich war einfach nur platt, durstig und hungrig.

Essen hatte Bannas Frau Fanta zubereitet. Chicken and Chips. Ein bisschen scharf. Genau das richtige, bevor ich mich für die Nacht verabschiedete.

Wasser war noch immer nicht da, aber in einem Eimer neben dem Clo waren noch ca. 3cm Wasser, mit dem ich meine pechschwarzen Füße wenigstens waschen konnte, bevor ich damit das weiße Laken versaue. Sehr spät abends  rief Banna mich an. Wasser ist wieder da. Also nichts, wie unter die Dusche. Das Wasser kochte. Von Erfrischung und Abkühlung war ich weit entfernt.

Es war heiss, die ac zu laut zum Schlafen, der Venti an der Decke noch lauter, die Nacht kurz und schrecklich.

Ich fahre zu Banna nach Janjanbureh

Unser Freund Banna riet mir, den Super Express Bus nach Janjanbureh zu nehmen. Der nimmt nur so viele Personen mit, wie es Sitzplätze gibt, ist Klimatisiert und hält unterwegs nur zwei, drei Mal an.
Also bin ich Montag Morgen mit dem Auto nach Brikama gefahren, um ein Ticket zu kaufen, und einen Sitzplatz zu reservieren für den nächsten Tag. Aber weder das Eine noch das Andere war möglich. Ich solle um 9.00 Uhr an der Bushaltestelle in Brikama sein, der Super Express Bus würde so gegen 10 nach neun starten. Also beschloss ich, um halb acht dort zu sein, bestellte Momodou mit seinem Taxi zu um acht am Dienstagmorgen. Als der sonst so pünktliche Momodou um 5 nach 8 noch nicht hier war, rief ich ihn an, aber leider nahm er nicht ab. Ich versuchte es noch einige Male, aber keine Antwort. Gegen viertel nach acht machte ich mich dann zu Fuß auf dem Weg zum hiesigen Taxistand, um mit einem anderen Taxi nach Brikama zu kommen. Auf dem Weg dorthin rief Momodou dann zurück. Er hatte verschlafen (gab beim ihm am Abend zuvor irgendwelche Schwierigkeiten), aber er schwang sich umgehend in sein Taxi und sammelte mich auf, bevor ich den Taxistand erreicht hatte und brachte mich mit Affenzahn nach Brikama. Diese Stadt ist auch früh morgens schon vollkommen verstopft und so ging ich die letzten 500 m zu Fuß zur Bushaltestelle. Pünktlich um neun war ich dort.
Der dortige Buseinweiser erkannte mich wieder und bat mich Platz zu nehmen, der Bus käme gleich. Wenn immer an mir vorbei kam hieß es: the Bus is coming. Naja, dachte ich, der Bus kommt bestimmt, aber wann? Die Frage wurde nach einer Stunde des Wartens drängender, aber er sagte immer nur den gleichen Satz: the Bus is coming. Er würde mir Bescheid geben, wenn der Bus kommt und: bleib da sitzen.
Nach zwei Stunden forderte er mich und drei weitere Damen auf, mit ihm zu kommen. Wir gingen die Straße ein Stück runter und da hinten sah ich, wie sich der Bus durch den Verkehr quälte. Bei uns angelangt öffnete sich die Bustür und unter langsamer Fahrt durften wir schnell einsteigen und uns einen der wenigen freien Plätze angeln. Geschafft! Dachte ich. Dann fuhr der Bus doch noch auf den Busparkplatz und eine riesen Menge Menschen stürmte auf den Bus zu und alle kamen in den Bus. Nach einer weiteren halben Stunde ging es dann endlich los.
Aber irgendetwas stimmte nicht. Sollten die Ventilatoren im Bus die von Banna gepriesene Aircondition sein? Und warum war er so voll?
Die Sitzreihen bestanden nicht aus zwei Sitzen rechts und zwei Sitzen links, sondern aus drei Sitzen rechts und zwei links. Ich saß auf der Zweierseite. Der Gang dazwischen war sehr eng und die Menschen standen dicht gedrängt darin. In einer Sardinenbüchse haben die Fische mehr Platz.

Eine Frau in einem Sonnengelben Kleid und in Begleitung eines jungen Mädchens und einer anderen Frau stand neben mir im Gang. Sie machte sich nicht einfach nur breit, sie war es auch. Ihren Ellenbogen hatte ich im Gesicht, und ihren großen, runden Hintern auf meiner Schulter. Während ich dem Ellenbogen auswich, kroch ich meiner Sitznachbarin nahezu auf den Schoß. Diese fand das nicht so toll, obwohl sie dafür gesorgt hatte, dass ich neben ihr Platz nahm, aber soviel Nähe wollte sie zu mir dann wohl doch nicht und machte dem Sonnenscheinkleid neben mir mehrmals klar, sie solle mich nicht so bedrängen. Sonnenschein entschuldigte sich dann mit einem mehrfachen „Sorry“ bei mir, vergaß das dann aber immer gleich wieder. Irgendwann Habenichts sie dann unüberhörbar angepault, sie möge jetzt endlich ihren Arm aus meinem Gesicht nehmen. Auch die um uns rum meckerten deshalb nun mit ihr und endlich war der Arm verschwunden. Jetzt galt es nach, den Hintern von meiner Schulter zu entfernen. Das gelang mir dann endgültig, als ich mich mit ein paar heftigen Schulterstössen gegen das Hinterteil wehrte. Ab nun ging es einigermaßen.
Meiner netten Sitznachbarin, die kein Wort Englisch sprach, hatte ich zuvor einen Kuchen angeboten, den ich vor der Abfahrt gekauft hatte, aber den hatte sie abgelehnt. Bei einem der vielen Haltepunkte, an den Frauen Wasser und alles mögliche essbare anboten, bat mich der Sonnenschein um Geld für eine Flasche Wasser und ich gab es ihr. Sonnenschein, die offensichtlich keine Distanzprobleme hat, kam meinem Gesicht mit ihrem sehr nahe. So nahe, dass ich ihren schlechten Atem inhalieren musste, obwohl ich mich schon abwandte, um mir ein mehrfaches „God bless you“ zuzuraunen…Bald darauf stupste mich meine Sitznachbarin an, sie wolle jetzt doch den Kuchen. Mit einem Lächeln reichte ich ihr die Packung und so mümmelten wir beide unseren Kuchen.
Mit der Zeit leerte sich der Bus etwas, weil immer wieder Leute ausstiegen. Dem Sonnenschein war das ewige stehen offensichtlich nun offensichtlich genug und sie bog ihren Oberkörper nach vorn über und täuschte eine nahende Ohnmacht vor. Sofort musste ein sitzender Mann seinen Platz räumen, damit Sonnenschein sich dort kerzengerade sitzend, von ihrer „Ohnmacht“erholen konnte. Diese Frau war wirklich mit allen Wassern gewaschen.
Was mir allmählich auch klar wurde: dieser Bus war weder super, noch Express. Es war einfach ein Bus.
Gegen 17.00 Uhr war ich dann tatsächlich und endlich in Janjanbureh, wo Banna mich erwartete.

Ja, es gibt sie noch…

die Briefmarkensammler! Deshalb bin ich heute Vormittag nach Brikama gefahren. Die Tage sagte mir jemand, Brikama sei die größte Stadt Gambias. Gleich nach Serekunda. Nach Serekunda fahr ich nicht. In Brikama kenne ich mich, zumindest, was die wichtigen Dinge betrifft, einigermaßen aus. Als Landei bin ich ja eh nicht so für die Stadt. Und wenn ich nach Brikama muss, bedarf es immer ein paar Tage der psychischen Vorbereitung.
Ich hatte ein paar selbstgefertigter Ansichtskarten von zu Hause mitgenommen, um dem Wunsch nach hiesigen Briefmarken nachkommen zu können. In Brikama gibt es weit und breit das einzige Postoffice. Und als Christian und Sus im November zum Rudern hier waren, hatten sie gehört, dass es in Gambia keine Post gibt. Das ist unmöglich. In jedem Land gibt es eine Post, so auch in Gambia. Also schrieb ich heute Morgen schnell irgendwelchen Quatsch und liebe Grüße auf die Karten, damit sie nicht wortlos ihren Empfänger erreichen sollten. Selbst Brikama, der bei Jawla im Rainbow arbeitet und aus Brikama kommt, war sich der Post nicht sicher. Aber es gibt sie. Und nicht nur ein hohles Gebäude, nein, die bis auf einen Augenschlitz freilassende Postangestellte hatte ein Album mit den verschiedensten Wertmarken! Also Briefmarken gekauft, sechs Karten damit beklebt (angeleckt) und schon war dieses Geschäft erledigt. Nun heißt es Warten…ob die Karten auch ankommen. Mal sehen, wie lange das dauert…

Brikama. Eine Stadt voller Leben. So quirlig und soooo voll. Von allem viel zu viel! Zu viel Autos, zu viel Fußgänger, Radfahrer, LKWs, Schubkarrenfahrer, güldene Fliflops für Frauen, zu viel Lärm, zu viel Tomaten, Bananen, Mangos, Stoffe, – einfach zu viel für mich Landei. Es hat mich fürchterlich angestrengt.
Neben der Post ist eine Frau, die Getöpfertes verkauft, und ich brauchte ein paar Blumentöpfe, weil bei der Baum Aktion was zu Bruch ging.
Und Geld wechseln. Der Wechselkurs bei Western Union in Brikama ist unschlagbar. Also wechseln. Abarrak. Sagte er zu mir. Das kriegt sicher nicht jeder Kunde dort gesagt, so wie er aussah….

Und dann noch zur Bushaltestelle. Morgen will ich nach Janjanbureh fahren, und meinen Freund Banna besuchen. Mal sehen, wie weit er mit dem Neubau seiner Lodge und seiner Flussterrasse gekommen ist? Aber ich konnte keinTicket vorab kaufen. Muss morgen zeitig da sein. Momodou wird mich morgen nach Brikama zur Busstation fahren. Es wird heiß sein in Janjanbureh. Dort ist es immer heißer als hier. Vamos a ver.